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“Vielleicht können wir mal Sportarten ausprobieren, die man sonst nicht (so oft) in der Schule macht”.
Diesen Wunsch äußerte eine Schülerin der Anna-Schmidt-Schule in der Eingangsbefragung zum Sportunterricht. Wie nehmen eigentlich Schüler ihren Sportunterricht wahr? Und welche Vorstellungen und Wünsche bezüglich seiner Zielsetzung und inhaltlichen Akzentuierung ergeben sich aus der Schülerperspektive? Diese Frage ist der Deutsche Sportbund im Rahmen der SPRINT-Studie zur Untersuchung der Situation des Schulsports in Deutschland nachgegangen. Die Analyse ergab, dass Schüler mit zunehmendem Alter die traditionellen Sportarten, wie sie im Sportunterricht stark repräsentiert sind, weniger stark nachfragen. Die Schüler kritisieren einen in dieser Hinsicht eher konservativen Sportunterricht und der Wunsch nach “größerer Vielfalt” und “innovativen Sportarten” gewinnt an Bedeutung.
Dieses Anliegen spiegelt sich auch im Eingangszitat der Schülerin wider. Der gesellschaftliche Sport unterliegt einem stetigen Wandel und Schüler haben ein nachweisliches Interesse daran, mit neuen Sportarten in Kontakt zu kommen. Aus diesem Grund formulierte der Deutsche Sportbund bereits im Jahr 2006 die verstärkte Implementierung “innovativer Sportarten” als eindeutige Handlungsempfehlung für die inhaltliche Akzentuierung des Schulsports (vgl. DSB-SPRING-Studie 2006, S. 44-46, 120-121, 142).
Durch das Aufgreifen neuer Mode-Trend- und Funsportarten nehmen die Schüler am kulturellen Geschehen der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur aktiv teil und werden dafür anschlussfähig gemacht (Neumann 2010, S. 5). Nach Digel (1977) “[kann und sollte] der Kanon der traditionellen Sportspiele nicht endlich definiert werden. [Im] Interesse des Sports ist es wünschenswert, dass seine Spiele sich mit den Ansprüchen und Bedürfnissen der Akteure und der Gesellschaft wandeln” (Digel 1977, S. 165).
Diesen Handlungsempfehlungen entsprechend wird im beschriebenen Unterrichtsvorhaben ein “neues” Sportspielgerät eingesetzt und damit dem allgemeinen Wunsch der Schüler nach “News im Sportunterricht” nachgegangen. Das Bewegungsfeld “Spielen” ist eine der tragenden Säulen im Schul- und Sportunterricht und bietet darüber hinaus im Sinne der Sportspielerziehung ein hohes Maß an Exploration. Ziel der vorliegenden Arbeit ist, ein kompetenzorientiertes Unterrichtsvorhaben innerhalb des Bewegungsfeldes “Spielen” vorzustellen, durch welches die Schüler im Sinne der Sportkonsumentenerziehung das Sportspielgerät Bassalo kennenlernen und mit diesem im Rahmen der Sportspielerziehung lernen, eigene Spielideen zu entwickeln. Einem erziehenden Sportunterricht entsprechend soll darauf aufbauend evaluiert werden, inwieweit durch das Unterrichtsvorhaben die angestrebten fachlichen sowie überfachlichen Kompetenzen gefördert wurden. Abschließend wird, soweit das im Rahmen dieser Arbeit möglich ist, der Einsatz von Bassalo im Sportunterricht evaluiert und bewertet.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. In Kapitel 2 wird die Lernausgangslage, genauer die Lernvoraussetzungen der Lerngruppe, beschrieben. Daran schließt sich die didaktische Analyse (Kapitel 3) und eine kurze Ausführung der methodischen Überlegungen (Kapitel 4) an. In Kapitel 5 werden der unterrichtspraktische Vermittlungsweg sowie die praktische Umsetzung der Unterrichtsreihe beschrieben. In Kapitel 6 wird das Unterrichtsvorhaben abschließend evaluiert und darauf aufbauend eine kurze Bewertung des Einsatzes von Bassalo im Sportunterricht gegeben. Kapitel 7 fasst diese Arbeit mit einem kurzen Ausblick zusammen.
Das beschriebene Unterrichtsvorhaben wurde in der E-Phase an der Anna-Schmidt-Schule durchgeführt. Unter Berücksichtigung meiner Beobachtungen und der Eingangsbefragung zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres werden im Folgenden die fachlichen sowie überfachlichen Kompetenzen der Lerngruppe im Hinblick auf das vorgestellte Unterrichtsvorhaben beschrieben.
Die Lerngruppe setzt sich aus 24 Schülern (17 Schülerinnen und 7 Schüler) zusammen und wird von mir seit Beginn des zweiten Halbjahres des Schuljahres 2015/2016 mit zwei Unterrichtsstunden (mittwochs 10./11. Stunde) pro Woche eigenverantwortlich unterrichtet. Die materielle Ausstattung der Halle entspricht bis auf die Bassalo-Cups und – Bälle den Anforderungen des Unterrichts. Diese stellte der Erfinder Markus Vogel der Lerngruppe für das beschriebene Unterrichtsvorhaben im Klassensatz zur Verfügung. Im Unterricht mit der Lerngruppe herrscht insgesamt ein angenehmes und positives Arbeitsklima und mein Verhältnis zu den Schülern empfinde ich als respektvoll. Untereinander verhalten sich die S. kooperativ. Das Interesse der Lerngruppe am Fach Sport war nach meinem Empfinden zu Beginn des zweiten Halbjahrs durchmischt und die Motivation für den Sportunterricht eher gering. Im Gespräch mit der Lerngruppe stellte sich heraus, dass die Schüler in ihrem bisherigen Sportunterricht methodisch sowie thematisch wenig Abwechslung erleben durften und eine gewisse “Müdigkeit” gegenüber den klassischen Sportarten vorherrscht. Es liege weniger an der allgemeinen Motivation für den Sportunterricht, als vielmehr an den sich wiederholenden Inhalten, an denen sie kein Interesse mehr haben, so die Schüler. Der Wunsch nach neuen Sportarten und mehr Abwechslung im Sportunterricht bestätigte sich über das kursinterne Stimmungsbild der Eingangsbefragung.
Insgesamt meldeten 16 von 21 Schülern zurück, dass sie an “neuen” Sportarten, insbesondere an Mannschaftssportarten, interessiert seien. Lediglich sieben Schüler standen diesem neutral gegenüber und nur ein Schüler gab an, kein Interesse am Erlernen einer neuen Sportart zu haben. Die Schüler äußerten auch, dass sie “Sportarten nicht so lange machen, sondern mehr Abwechslung wollen”. Das geplante Unterrichtsvorhaben, ein eigenes Spiel mit dem neuen Spielsportgerät Bassalo zu entwickeln, eignete sich aus diesem Grund in besonderem Maße für die beschriebene Lerngruppe. Das Interesse der Schüler für neue Sportarten wird aufgegriffen, die intendierte Auflockerung des üblichen Sportunterrichts erreicht und dem Bedürfnis nach Abwechslung und Exploration nachgegangen. Das Interesse der Schüler für den Sportunterricht soll damit gefördert und ihre Motivation längerfristig aufrechterhalten werden (Neumann 2010, S. 6).
Hinsichtlich der sportlichen Leistungsfähigkeit ist die Lerngruppe insgesamt als heterogen zu bezeichnen. Viele Schüler (zehn Schülerinnen und neun Schüler) treiben regelmäßig Sport in ihrer Freizeit, fünf Schüler machen in ihrer Freizeit keinen Sport. Viele Schüler spielen Mannschaftssportarten (z.B. Basketball, Fußball), einige betreiben Individualsportarten (z.B. Turnen, Boxen, (Tisch-)Tennis, Tanzen, Kampfsportarten, Schwimmen), gehen in ein Fitnessstudio oder laufen (joggen). Das Sportspielgerät Bassalo sowie die damit verbundenen Spielideen, wie beispielsweise Ultimate-Bassalo, kannte zu Beginn der Einheit kein Schüler.
In den ersten Unterrichtsstunden wurde sichtbar, dass einige Schüler sportartspezifisch, aber auch sportartübergreifend gute motorische und konditionelle Voraussetzungen mitbringen. Vor allem mehrere männliche Schüler zeigten große Begeisterung für Sportspiele und eine hohe Leistungsbereitschaft für ballsportliche Aktivitäten. Andere Schüler hielten sich gegenüber Ballspielen eher zurück. Beim Sportspiel Basketball zeigte sich, dass den meisten Schülern das Einhalten von Regeln als konstitutives Element eines Sportspiels gelingt. Ein intensives, mehrdimensionales Verändern der Regeln war den Schülern zu diesem Zeitpunkt nur in Ansätzen bekannt. Im Rahmen der ersten Unterrichtsreihe wurden Regelspiele über ein erstes Variieren, Verändern, Neu- und Umgestalten von Regelstrukturen beim Basketball eingeführt. Die praktische Umsetzung dieser Regelkenntnisse musste bei der Entwicklung der Bassalo-Spiele situativ wiederholt und vertieft werden. Dies gelang den Schülern in sehr unterschiedlicher Weise. Obwohl alle Schüler im Verlauf ihres bisherigen Sportunterrichts zahlreiche Sportspiele kennengelernt haben, bedarf das Verändern, Variieren und Entwickeln eigener Spielerfahrung. Es zeigte sich, dass nicht alle Schüler auf Spielerfahrungen dieser Art zurückgreifen konnten (siehe 5.2. Darstellung einer exemplarischen Doppelstunde). Im Umgang mit dem Spielsportgerät Bassalo wurden im Bereich der koordinativen Fähigkeiten in den ersten Unterrichtsstunden deutliche Leistungsunterschiede sichtbar.
Einige Schüler beherrschten innerhalb kurzer Zeit Würfe über weite Distanzen sowie zahlreiche Tricks im Umgang mit dem Bassalo-Cup. Andere Schüler brauchten für den ersten “Catch” einige Übungszeit oder hatten Schwierigkeiten, den Ball aus dem Bassalo-Cup zu schleudern. Aus diesem Grund wurde bereits zu Beginn auf binnendifferenzierte Maßnahmen zurückgegriffen. Nach relativ kurzer Übungszeit zeigten sich jedoch bei allen Schülern individuelle Erfolgserlebnisse und der “hohe” Aufforderungscharakter des Sportspielgeräts motivierte sie zum Erlernen weiter Wurf- und Fangtechniken. Dies bestätigte sich in der Evaluation der ersten Doppelstunde (siehe 9.4 Evaluationsergebnisse der 1. Doppelstunde).
Bezogen auf die methodischen Kompetenzen sind die Schüler im Allgemeinen offen für alle Sozialformen, bevorzugen jedoch nach eigenen Angaben die Arbeit in Kleingruppen. Die Lernenden haben Erfahrung im Arbeiten in Gruppen und sind in der Lage, sich weitgehend selbstständig mit einem Lerngegenstand auseinanderzusetzen. Die Mitarbeit in den Reflexionsphasen ist insgesamt zufriedenstellend. Viele Schüler beteiligen sich regelmäßig und mit qualitativ wertvollen Beiträgen am Unterricht. Die Motivation und Bereitschaft sich in die Arbeitsprozesse einzubringen ist bis auf einige wenige Ausnahmen bei den Schülern hoch. Manche Schüler sind eher zurückhaltend und still, verfügen jedoch über eine ausgeprägte Sozialkompetenz (Kooperations- und Teamfähigkeit) und liefern im Gruppenarbeitsprozess wegweisende Beiträge.
Nachfolgend werden Spiele als Lern- und Erfahrungsfeld im Sportunterricht skizziert. Daran anschließend wird die Inszenierung neuer Sportarten im Sportunterricht thematisiert und das beschriebene Unterrichtsvorhaben, genauer die Entwicklung eigener Spiele im Sportunterricht, analysiert.
Sport- und Bewegungsspiele nehmen im Kontext des gesellschaftlichen Sporttreibens eine bedeutende Rolle ein, denn sie prägen die Sportaktivität von Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise (Pfitzner 2011, S. 2). Sie haben eine lange Tradition und im Laufe der Zeit haben sich vielfältige (Spiel-)Formen entwickelt (Geis 2009, S. 8).
Nicht zuletzt ist deshalb auch der Sportunterricht zu einem wesentlichen Teil von Spielen aller Art geprägt. Mit der neuen Lehrplangeneration hat eine Zusammenführung der Spiele stattgefunden. Ehemals separate Spielegruppen, wie die amerikanischen Sportspiele, Ball-, Fangspiele und Regelspiele, gehören nun zusammen mit den Großen Spielen in einen gemeinsamen Bewegungsbereich. Eine inhaltliche Gleichstellung erhalten Spiele im Sportunterricht über das Fördern der allgemeinen Spielfähigkeit im Sinne der Sportspieleerziehung (Pfitzner 2011, S. 2; Bindel 2015, S. 4 ff.).
Kolb (2001) beschreibt das phänomenale Merkmal der Sportspiele in der “besonderen Ablaufgestalt von überraschend und variabel verlaufenden, sich permanent wiederholende Pendelbewegungen in einem begrenzten Raum und dem prinzipiell offenen Ablauf und ungewissen Ausgang” (Kolb 2001a, S. 344). Über die Besonderheiten von Spielen existieren verschiedene Meinungen, das Wichtigste sei jedoch, dass ein Spiel spannend ist, denn “verliert ein Spiel an Spannung, so endet es in der Regel” (Breuer 2016, S. 2). Huizinga (2004) wagt folgende Definition eines Spiels: “Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel also zusammenfassend als eine freie Handlung nennen, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht [und] nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft.
Bietz und Böcker (2009) unterscheiden darüber hinaus das Spielen um etwas, das Spielen als etwas und das Spiel mit etwas. Das Spielen um etwas vollzieht sich gemäß einer spezifischen Spielidee in der Interaktion mit mehreren Mitspielern (ebd. S. 120 f.).
Sportliches Handeln in der Gemeinschaft braucht Regeln und strebt nach Fairness. Zugleich wird es aber durch Wettkampf und Konkurrenz belebt und attraktiv. Diese Form sozialen Verhaltens kommt im Sport in den Sportspielen besonders zum Tragen (HKM 2016, S. 17). Für das Hervorbringen einer Spielwirklichkeit sind Kompetenzen einer “allgemeinen Spielfähigkeit” erforderlich. Durch sie wird der konstitutive Prozess der gemeinschaftlichen Gestaltung eines Spiels möglich. Darunter fällt das Nachvollziehen bzw. Entwickeln einer Spielidee, sich über Spielideen zu verständigen, Spiele zu initiieren, Spielregeln zu finden und zu vereinbaren, Spiele anzupassen, in Gang zu halten, zu intensivieren und zu variieren. Der motorischen Vollzug der Spiele, die “spezielle Spielfähigkeit”, ist nur ein Aspekt der geforderten Spielleistung und zumindest in der Schule nicht der wichtigste. Anstelle der technisch-taktischen Abläufe der Spiele im Speziellen, liegt dem beschriebenen Unterrichtsvorhaben der didaktische Ansatz der Förderung der “allgemeinen Spielfähigkeit” zugrunde (Bietz und Böcker 2009, S. 118 ff.; Cachay 1981, S. 359 ff.).
Für den Inhaltsbereich “Spielen” und “Spiele spielen” ergibt sich vor dem Hintergrund des offenen verstandenen Begriffs dieses Bewegungs- und Erfahrungsfeldes eine Öffnung in zweierlei Hinsicht. Zum einen kann die Inhaltspalette des Sportunterrichts auf neue Spielformen ausgeweitet werden, die neben den traditionellen Spielen in der außerschulischen Bewegungskultur zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zum anderen kann eine Umorientierung im Gegenstandsverhältnis und in der Art und Weise wie Spiele thematisiert werden, vorgenommen werden. Ein Spiel in der Schule darf nicht “auf seine motorischen Vollzüge reduziert werden”, sondern der “grundlegende Sinn- und Bedeutungszusammenhang eines Spiels” muss im Vordergrund stehen (Bietz und Böcker 2009, S. 118). Beide Aspekte stehen im Zentrum des beschriebenen Unterrichtsvorhabens und werden nachfolgend vor dem Hintergrund “neue Sportarten” im Sportunterricht erörtert.
Der gesellschaftliche Sport unterliegt einem stetigen Wandel, wodurch Sport mehr ist als nur Bewegung. Es werden ständig neue Sportarten entwickelt und angepasst. Wenn der Schulsport die Jugendlichen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Sport qualifizieren soll, dann muss er auch neue, innovative Sportarten berücksichtigen. Insbesondere die Öffnung der Lehrpläne für neue Inhalte weist im Hinblick auf den Einzug von Mode-, Trend- und Funsportarten in die Schule einige Freiräume auf.
Obwohl sich die Bezeichnung “Trendsport” im Sprachgebrauch etabliert hat, ist in der Fachliteratur eine gewisse begriffliche Unschärfe zu verzeichnen. Vermehrt wird darauf verwiesen, dass Trendsportarten neue, sportliche Bewegungsformen sind, die sich über mehrere Jahre hinweg zunehmender Beliebtheit erfreuen. Primär in informellen Kontexten organisiert, werden sie von den Aktiven in ihrem Lebensstil eingebunden und umfassend kommerzialisiert (Laßleben 2009, S. 45; vgl. Lemprecht und Stamm 1998, S. 370). Darüber hinaus werden sieben Merkmale genannt, mit derer eine Abgrenzung zum traditionellen Sport getroffen wird: Zunehmende Verbreitung (1), Zeitdauer von mehreren Jahren (2), Neuigkeitswert (3), Gestaltungsoffenheit (4), Stilisierung und Lebensstileinbindung (5), Erlebnis- und Verlaufsorientierung (6) und Exklusivität und Kommerzialisierung (7) (Laßleben 2009, S. 36).
Es bleibt jedoch unklar, ob alle Merkmale erfüllt sein müssen, damit man von einer Trendsportart sprechen kann und in wieweit eine neue Bewegungsform lediglich eine Modeerscheinung (kurz) oder einen stabilen Trend (lang) darstellt. Fraglich ist auch, welche Sportarten in der Schule tatsächlich als Trendsport gelten und inwieweit sie überhaupt einen gewissen Neuigkeitswert besitzen (vgl. Walter 2015, S. 1 ff.). Aufgrund der begrifflichen Unschärfe hat Neumann (2010) den Begriff “Newsport” eingeführt und meint damit den offenen Pool jener Bewegungsformen, die Verbreitung in der Bewegungspraxis finden. Da für das Sportgerät Bassalo ebenso unklar ist, ob sich daraus ein stabiler Trend entwickelt, fällt das Sportspiel Bassalo nach Neumann ebenfalls in den Bereich “Newsport”. Neumann begründet den Einzug von “News” in den Sportunterricht mit drei didaktischen Intentionen. Erstens können sich Schüler im Feld der News orientieren, eigene motorische Erfahrungen sammeln und neue Sportarten ausprobieren. Zweitens können sie im Sinne einer Sportkonsumentenerziehung in ihrer Urteilsfähigkeit gefördert werden und drittens Ausschnitte aus der aktuellen Bewegungswelt kennen lernen (Neumann 2010, S. 5).
Verschiedene empirische Studien zeigen, wie auch das Stimmungsbild der Lerngruppe bestätigte, dass neue Sportarten auf der Wunschliste der Schüler stehen. Schüler haben ein eindeutiges Interesse daran, neue Sportarten und Sportgeräte in der Schule kennenzulernen (vgl. DSB-SPRINT-Studie, 2006, S. 44-46; vgl. Digel 1996 u.v.a.).
Durch das Aufgreifen neuer Bewegungstrends nehmen die Schüler aktiv am kulturellen Geschehen der Sportkultur teil und werden dafür anschlussfähig gemacht. Sie lernen sich mit aufkommenden Bewegungstrends auseinanderzusetzen und diese kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus haben nahezu alle Schüler mit denselben Erfahrungen und motorischen Herausforderungen zu kämpfen, wenn die Trends auf sie treffen. Im Gegensatz zu traditionellen Sportarten sind Newsportarten in der Regel weniger dominant auf die Leistungsperspektive ausgelegt. Sie weisen eine Deutungsvielfalt auf und lassen aufgrund ihres informellen Charakters eine größere Brandbreite an individuellen Sinnmustern zu als traditionelle Sportarten (Laßleben 2009, S. 68-71).
Andererseits können die Schüler auf neue Sportarten auch mit Abneigung und Ablehnung reagieren. Problematisch wird es, wenn neuartige Bewegung oder Spielideen aufgrund motorischer Defizite nicht erfahren werden können, die Möglichkeiten des neuen Sportgeräts erschöpft sind oder einzelne Schüler wiederholt an den Anforderungen des Neuen scheitern. Doch diese “Motivationsbremsen” gehören zur Auseinandersetzung mit Sport in der Schule dazu und sind keinesfalls Argumente gegen eine Thematisierung von “News” im Sportunterricht. Der Schulsport bietet für manche Schüler die einzige Gelegenheit mit neuen Sportarten in Kontakt zu kommen und ermöglicht ihnen den Anschluss zur außerschulischen Bewegungspraxis. Selbst wenn die Schüler nicht jede der im Unterricht behandelten Sportarten in ihrer Freizeit betreiben, so verhindert deren Thematisierung zumindest, dass der Sportunterricht zum “Museum traditioneller Sportarten” wird (Laßleben 2009, S. 61, 68-71, vgl. Neumann 2010, S. 5). Im Sportunterricht können jedoch nicht alle neuen Bewegungsformen, Spiel- und Sportgeräte behandelt werden. Die schnelllebige Trendadaption und geringe Prognostizierbarkeit der Wirkungsdauer eines Trends, finanzielle Risiken, räumlich-materielle und/oder organisatorische Widerstände stellen Probleme bei der langfristigen Etablierung von “Newsportarten” dar. Möglich und wünschenswert ist es jedoch, einzelne davon exemplarisch herauszugreifen, den Schülern vorzustellen und mit ihnen gemeinsam zu reflektieren, zu kritisieren oder auch gewinnbringende mit anderen Angeboten zu kontrastieren (Neumann 2010, S. 6 ff.; Neumann und Kößler 2010, S. 2).
Für das beschriebene Unterrichtsvorhaben wird im Sinne der “News” im Sportunterricht das Sportspielgerät Bassalo eingesetzt, welches nachfolgend in Kürze vorgestellt wird.
Das Spielsportgerät Bassalo wurde von dem österreichischen Freizeit- und Outdoor Trainer Markus Vogel (2015) entwickelt. In Österreich stellt Bassalo im Bereich der Sportspiele bereits einen aufkommenden Bewegungstrend mit zunehmender Beliebtheit dar. Die traditionsreiche Grundidee des Becherspiels “Cup Ball”, genauer sich einen Ball zuzuwerfen und zu fangen, wurde weiterentwickelt und Bassalo entstand. Die Spieler versuchen sich mit einem 25 cm langen Becher, dem Bassalo-Cup, einen Ball hin- und her-zu-schleudern und diesen immer wieder im Bassalo-Cup zu fangen. Die Becher sind aus Hartplastik geformt und der angeraute “Griffbereich” am unteren Rand ermöglicht eine gute Griffhaltung.
Die Bassalo-Bälle sind mit Squash-Bällen zu vergleichen, sie sind neon-farbig und können gegen die Wand, bei Wind und im Wasser gespielt werden. Mit dem Bassalo-Cup können die Bälle hoch und weit, mit einer Weite von bis zu 50 m, geschleudert werden. Auf diese grundlegende Spielidee aufbauend, entwickelten sich zahlreiche Spielideen. Alleine, zu zweit oder im Team, auf ein Ziel des Zielspiel, über ein Netz als Rückschlagspiel oder als Zonenspiel, es lassen sich vielfältigen Spielvariationen etablieren. Die von Vogel (2015) entwickelte erste Spielidee ist ein Bassalo-Endzonenspiel, das sogenannte “Ultimate-Bassalo”. Es ist eine Mischung aus Basketball und Ultimate-Frisbee, bei dem zwei Mannschaften im Basketball-Spielfeld gegeneinander spielen. Dabei ist das Ziel, einen “Catch” in der Endzone des Gegners zu erreichen. Das sogenannte “Bassalo-Crossover”, d.h. mit dem Sportgerät Bassalo ein neues, eigenes Spiel zu entwerfen, bietet darüber hinaus die Möglichkeit für zahlreiche unterschiedliche Spiel- und Trainingsformen. Das Sportspielgerät Bassalo bietet sich, nach Vogel (2015), aus genau diesem Grund für den Sportunterricht an. Das Spiel hat für Schüler außerdem einen hohen Aufforderungscharakter, da viele es gleichzeitig spielen können. Mit der Anschaffung der Bassalo-Cups und -Bälle können die vorhandenen Materialien der Schulsporthallen zur Unterstützung zahlreicher Spielvarianten genutzt werden. Das Werfen und Fangen ist zu Beginn eine größere Herausforderung. Es stellt hohe Anforderungen an die koordinativen Fähigkeiten, genauer die Reaktions-, Kopplungs- und Orientierungsfähigkeit. Die Fähigkeit, den Ball mit dem Becher aus der Luft zu fangen, fördert in hohem Maße die Hand-Auge-Koordination und die kleine Öffnung des Cups auf den anfliegenden Ball auszurichten, fordert die Geschicklichkeit. Beim Werfen und Fangen ergeben sich zahlreiche Tricks mit unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus, die alleine oder mit einem Partner geübt werden können. Diese Vielfältigkeit, so Vogel, gibt der jungen Sportart seinen außergewöhnlichen, sportlichen Charakter (Vogel 2015, S. 215 ff. und 2016, S. 58 f.) und qualifiziert sie aus meiner Sicht für das beschriebene Unterrichtsvorhaben.
Das Spielen im Sportunterricht trägt durch vielfältige Möglichkeiten der Öffnung des Unterrichts und damit zur Verwirklichung dieses pädagogischen Anspruchs bei. Die Spielentwicklung als kreativer Prozess provoziert die von Kolb (2001) geforderten Spielsituationen, durch welche die Schüler ein allgemeines Grundverständnis von Sportspielen aller Art entwickeln (Kolb 2001a, S. 344 ff.). Dem beschriebenen Unterrichtsvorhaben liegt das Spielen als eigenständiges Hervorbringen konkreter Spielideen in einem produktiven Gestaltungsprozess zugrunde. Es werden keine fertigen Bassalo-Spielformen vorgegeben, sondern der Prozess der gemeinschaftlichen Spielgestaltung, mit dem Ziel ein funktionierendes Spiel zu entwickeln, steht im Vordergrund. Eine derartige Orientierung am Prozess des Spielens impliziert notwendigerweise die geforderte Mitgestaltung der Schüler im Sportunterricht. Die Entwicklung eines Spiels ist ein Prozess, der von der Lehrkraft initiiert und dann in die Hand der Schüler gelegt wird, sodass diese zu Gestaltern ihres Unterrichts werden (Lange und Sinning 2009, S. 353; Sinning 2005, S. 5).
Im Kontext eines erziehenden Sportunterrichts kommt dem selbständigen und selbstorganisierten Lernen der Schüler eine große Bedeutung zu. Im hessischen Lehrplan (2010) stellen “Formen des selbstständigen Arbeitens” eine strukturgegebene Planungsgröße für den Unterricht dar (ebd., S. 24). Auch nach Breuer (2014) sind Prozesse des Mitplanens, Mitentscheidens und Mitgestaltens Bedingungen, “die Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Persönlichkeit zur Verfügung gestellt werden müssen” (ebd., S. 533). Die Prinzipien der Mitbestimmung und Partizipation der Schüler ergeben sich bei der Thematisierung und Entwicklung von Spielen im Unterricht die pädagogischen Potentiale der Erfahrung und der Kommunikation (Bähr 2005, S. 5).
Nach Bietz und Böcker (2009) umfasst der Prozess der Spielgestaltung idealtypisch folgende Schritte: Spielinitiierung, Spielanpassung, Weiterentwicklung und Intensivierung von Spielbedingungen und Spielideen, Variation von Spielbedingungen und Spielideen. Ausgehend von der grundlegenden Spielidee können verschiedene Spielregeln genutzt werden, um den Spielentwicklergeist in Gang zu bringen (ebd., S. 119 ff.). Die sicherlich bekannteste Strukturierung von Spielregeln stammt von Digel (1982), der drei Regeltypen unterscheidet. Konstitutive Regeln (1), die das Spiel konstituieren, strategische Regeln (2), die zur taktischen Ausgestaltung dienen und moralische Regeln (3), die zur Beteiligung aller führen, die Chancengleichheit und Regeln zum Fair-Play festlegen. Ihm zufolge können innerhalb einer Spielentwicklung alle drei Regeltypen zum Thema werden (ebd., S. 319-321). Für das beschriebene Unterrichtsvorhaben stehen die konstitutiven Regeln, hier genauer Handlungs-, Personal-, Inventar- und Raumregeln im Zentrum. Moralische Aspekte wie die Spielbeteiligung aller, Chancengleichheit oder Fairness sind Aspekte, die im Rahmen der “Kriterien für ein gelungenes Spiel” thematisiert wurden (siehe 9.3 Arbeitsergebnisse).
Der Prozess der Spielentwicklung vollzieht sich in einem zyklischen Wechsel von Realisierungs- und Reflexionsphasen, in denen fortlaufend konkrete Spielprobleme aufgedeckt, Lösungen entwickelt und im Spiel erprobt werden (Bietz und Böcker 2009, S. 119). Diese Phasen durchlebten die Schüler bei der praktischen Umsetzung ihrer Bassalo-Spiele. Dadurch wurde die Problemlösefähigkeit, Erschließungsfähigkeit und Gestaltungsfähigkeit der Schüler herausgefordert und ihre Handlungsfähigkeit gefördert.
Komplexe Sinn- und Bedeutungszusammenhänge wurden erfasst und grundlegende Spielideen erprobt. Damit leistet das Unterrichtsvorhaben eine wesentlichen Beitrag zur Förderung der allgemeinen Spielerziehung. Die für ein Spiel konstitutiven Bedingungen der Chancengleichheit, Ergebnisoffenheit, Spannung, des Spielflusses und der Beteiligung aller werden im Spiel erkannt. Die Struktur und Funktion von Spielregeln sowie deren Anpassung und Veränderung werden den Schülern transparent. Durch Abschaffen und/oder Neuordnung von Regeln lassen sich die Spiele in komplexerer Form variieren und weiterentwickeln (Diegel 1977, S. 164 f.).
Balz und Bindel (2010) unterscheiden bei der Erfindung von Bewegung, Spiel und Sport vier Prinzipien: Das “sportliche Update” (1), das “trendige Sampling” (2), das “konsequente Zielkonstrukt” (3) und die “mediale Adaption” (4). Beim “sportlichen Update” wird eine traditionelle Sportart oder ein bekanntes Sportgerät durch veränderte Regeln aktualisiert. Beim “trendigen Sampling” findet eine Durchmischung bekannter Elemente statt und durch dessen Kombination entsteht eine neue Bewegungsidee. Eine Produktion im Sinne des “konsequenten Zielkonstrukts” stellt alles unter eine leitende Zielperspektive (z.B. Gesundheit) und bei der “medialen Adaption” werden attraktive Spiel- und Bewegungsideen aus den Medien (z.B. Super-Mario) “nacherfunden” und in alltagstaugliche Spiel- und Bewegungsformen überführt (ebd., S. 42) (siehe 6.2. Evaluation der Bassalo-Spielideen). Fraglich ist an dieser Stelle, wo die Grenze zwischen Spielerfindung und Spielveränderung liegt. Nach Diegel handelt es sich dabei um ein und die gleiche Fähigkeit und macht eine Grenzziehung unwichtig (Digel 1977, S. 163).
Das Entwickeln von Spielen ist nach Breuer (2016) aber auch “ein schwieriger Akt, der so ohne Weiteres nicht möglich ist”. Um die Struktur von Spielen für die eigene Spielentwicklung nutzen zu können, ist es wichtig, ein Spektrum an Spielen kennenzulernen, Regeln zu berücksichtigen, zu verstehen und ein Spiel im Fluss halten zu können (Breuer 2016, S. 2 f.). Es ist nicht sinnvoll, die Schüler im ersten Schritt neue Spiele erfinden zu lassen. Achtergarde empfindet stattdessen Spiele, die den Schülern bereits bekannt sind, zu verändern (Achtergarde 2015, S. 498 f.). Nach Kolb (2001) kann die Anbahnung dieser Spiellernprozesse nur gelingen, wenn ein Situationsrahmen geschaffen wird, der diese Prozesse provoziert (Kolb 2001a, S. 348). Über den “hohen” Aufforderungscharakter des neuen Sportspielgeräts ist dafür im beschriebenen Unterrichtsvorhaben eine Grundlage gelegt, auf der die Förderung der Spielregelerziehung über das Spiele erfinden aufgebaut wird. Als zusätzliche Strukturierungshilfe werden im beschriebenen Unterrichtsvorhaben die Regelkategorien, die “Kriterien für ein gelungenes Spiel” und die Spielregelkartei eingesetzt (siehe 9.2. Arbeitsmaterialien). Eine alternative Strukturierungshilfe bei der Entwicklung eigener Spielideen liefert Wiesche (2016). Er nennt die Elemente “Glück, Strategie und Geschicklichkeit” als wesentliche Elemente von Spielen und nimmt diese zum Ausgangspunkt der Spieleentwicklung. Über die Betonung eines dieser Merkmale ließen sich auch Bassalo-Spiele mit unterschiedlichsten Zusammenhängen entwickeln und in die eine oder andere Richtung verändern (ebd., S. 25).
Im Rahmen der beschriebenen Unterrichtsreihe mussten die entwickelten Spiele nicht nur erfunden, sondern den Mitschülern auch erklärt werden. Diese Aufgaben kam den jeweiligen Experten der Bassalo-Spiele zu. Sie erläuterten ihren Mitschülern ihre Spielidee und die dazugehörigen Spielregeln. Nach Achtergarde (2015) ist es dabei wichtig, dass Schüler bei der Spielerklärung eine gewisse Struktur befolgen. Die folgenden vier Punkte sollten im Rahmen einer Spielerklärung “abgearbeitet” werden: Spielidee und Spielziel, Spielbeschreibung, Spielregeln, Materialien, Aufbau und Mannschaftsbildung (ebd., S. 284, 302-302). In der beschriebenen Unterrichtsreihe erarbeitete ich diese Punkte mit den Schülern nicht ausführlich genug, was zur Folge hatte, dass die Spielerklärungen ihr intendiertes Ziel teilweise nicht erreichten (dazu mehr unter 6.1 Evaluation der Unterrichtsreihe). Nach erfolgreichem Spielbeginn mussten die Mitspieler die Spielregeln einhalten, anschließend den Spielverlauf vor diesem Hintergrund reflektieren und gegebenenfalls Regeln verändern und/oder ergänzen. Dadurch haben die Schüler Kenntnisse über deren Auswirkung auf das Spielgeschehen erworben und gelernt Spielsituationen und -prozesse differenzierter zu betrachten (HKM 2016, S. 29, 34-35). Die Entwicklung eigener Bassalo-Spielideen sensibilisierte sie für typische Probleme der Sportspielentwicklung und leistete damit einen besonderen Beitrag zur Spiel- und Regelerziehung im Sportunterricht.
Die Ausarbeitung und Begründund des beschriebenen Unterrichtsvorhabens orientiert sich zum einen am hessischen Lehrplan der gymnasialen Oberstufe und dem hessischen Kerncurriculum (G8), welches mit dem Schuljahresbeginn 2016/2017 offiziell in Kraft treten wird. Zum anderen richtet sich das Unterrichtsvorhaben nach den Bedürfnissen und dem Kompetenzstand der Lerngruppe.
Das “Spielen” ist im hessischen Lehrplan eins der acht Bewegungs- bzw. Inhaltsfelder. Das Sportspielgerät Bassalo unterliegt, wie andere Fun- und Trendsportspiele innerhalb dessen den “weiteren Spielen” (HKM 2010, S. 83; HKM 2016, S. 19). In der Einführungsphase E1/E2 sieht das Kerncurriculum das Themenfeld “Kooperation und Konkurrenz im Sportspiel” verbindlich vor, in welchem das beschriebene Unterrichtsvorhaben begründet ist (HKM 2016, S. 18-19). Im hessischen Lehrplan ist das beschriebene Unterrichtsvorhaben innerhalb der “[aktuellen] Aspekte der […] Sport- und Bewegungskultur” und darin im Themenbereich des “Sport als Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit” einzuordnen (HKM 2010, S. 15 ff). “Die Möglichkeit der Konstruktion und/oder Variation von Regeln in Sport- und Bewegungsspielen” wird als fachlicher Teilbereich der “Kenntnisse zum sportlichen Handeln im sozialen Kontext” genannt, der bis zum Ende der Jahrgangsstufe 9 verbindlich bearbeitet werden muss. Während im Lehrplan die Förderung der Spielintelligenz über die spielerische Kreativität und das Konstruieren und Variieren von Regeln tendenziell in der Sekundarstufe 1 verordnet ist, nenn das neue Kerncurriculum diese Bildungsinhalte explizit auch für die gymnasiale Oberstufe (HKM 2010, S. 18). Eng damit verbunden sind grundlegende Teamanforderungen, wie das Verändern, Anwenden und Einhalten von Regeln (Fairplay), Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft und das Einnehmen und Ausfüllen von Rollen (Spieltaktik, Rollenübernahme) (HKM 2016, S. 18).
Aufgrund der Vielzahl an Sportspielen soll sich, laut hessischem Lehrplan, der Vermittlungsansatz an aktuellen Vermittlungskonzepten orientieren, mit der vorrangigen Zielsetzung der Umsetzung der Spielidee. “Diese ist die kleinste Ganzheit des Spiels” und konstituiert immer wiederkehrende Grundsituationen, denen weitere taktische Anforderungen folgen sollen (HKM 2010, S. 15). Das Kerncurriculum sieht die Realisierung der Spielidee eines Sportspiels ebenfalls als eine der Grundvoraussetzungen in der Sportspielerziehung, denn diese ist “Ausdruck der Spielfähigkeit im entsprechenden Sportspiel”. Im beschriebenen Unterrichtsvorhaben müssen sich die Schüler diesen Anforderungen stellen. Neben den technischen Anforderungen im Umgang mit dem Sportspielgerät Bassalo müssen sie sich mit ihren eigenen Spielideen sowie dem dazugehörigen Regelwerk auseinandersetzen. Sie ergründen die Ursachen für Spielprobleme und über ihr spielorientiertes Bewegungshandeln entwickeln sie sportliche Handlungskompetenz im sozialen Kontext (HKM 2016, S. 18, 34). Neben den genannten Aspekten liegt dabei ein weiter Schwerpunkt auf der Förderung der koordinativen Fähigkeiten und der Hand-Auge-Koordination. Im hessischen Lehrplan sowie im Kerncurriculum wird die Verbesserung der grundlegenden “technischen, allgemein-koordinativen und allgemein-fertigkeitsorientierten Basisanforderungen” gefordert, um darauf aufbauend sportspielspezifische Techniken zu erlernen (HKM 2010, S. 15). In der beschriebenen Unterrichtsreihe ist die Verbesserung der Bewegungskompetenz im Sinne der koordinativen Fähigkeiten und der Hand-Auge-Koordination lediglich grundlegend für die Umsetzung der eigenen Bassalo-Spiele, aber keinesfalls strukturgebend.
Ausgehend von den beschriebenen Lernvoraussetzungen und didaktischen Überlegungen, soll im Rahmen der Unterrichtsreihe aus dem fachlichen Kompetenzbereich die Urteils- und Entscheidungskompetenz, die Bewegungskompetenz und die Teamkompetenz gefördert werden. Aus dem Bereich der überfachlichen Kompetenzen liegt der Fokus auf der Förderung der Sozialkompetenz. Die Kompetenzanbahnung orientiert sich dabei am neuen Kerncurriculum (2016) für die gymnasiale Oberstufe im Fach Sport. Ein ausführliches Kompetenzraster der angebahnten Kompetenzentwicklung der Unterrichtsreihe ist im Anhang unter 9.1 Kompetenzraster zu finden.
Der Vermittlungsansatz von Sportspielen soll sich, so die Forderung im hessischen Lehrplan, an aktuellen Vermittlungskonzepten orientieren und die Spielidee in den Mittelpunkt stellen. Vergleicht man die in der Fachliteratur vorgeschlagenen sportspieldidaktischen Vermittlungskonzepte, so unterscheidet Kolb (2001) die “integrative Sportspielvermittlung”, die “methodische Spielreihe”, die “taktikorientierte Methode”, das “Tactical Game Teaching” und das “Genetische Lernen” (Kolb 2001b, S. 68). In der theoretischen Auseinandersetzung mit den Sportspielvermittlungsmodellen zeigt sich, dass darüber hinaus zwischen der allgemeinen und speziellen Spielfähigkeit unterschieden wird. Die “allgemeine” Spielfähigkeit bezeichnet das “in Gang setzen” und “in Gang halten” sowie das bewusste Gestalten von Spielen, währenddessen die “spezielle” Spielfähigkeit die für das Sportspiel typischen technischen, wie taktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind (vgl. Dietrich 1984, S. 19; Schley, 2016, S. 117.
Im Unterrichtsvorhaben wird über die Entwicklung eigener Spielideen mit dem Bassalo die allgemeine Spielfähigkeit gefördert. Diesem Vorhaben liegt das Konzept des genetischen Lernens zugrunde, welches nachfolgend genauer erläutert wird. Im Anschluss daran werden die allgemeinen methodischen Überlegungen zum beschriebenen Unterrichtsvorhaben dargelegt.
Der hessische Lehrplan fordert die “Umsetzung der Spielidee” als vorrangiges Ziel in der Sportspielvermittlung (vgl. HKM 2010, S. 15). Die Spielidee, deren Realisierung bereits zu Beginn des Vermittlungsprozesses auch dem Anfänger das Erleben des Spiels in würdiger Form ermöglichen soll, ist beim genetischen Lernen, wie es Dietrich (1984) weiterentwickelt hat, das didaktische Grundprinzip (Dietrich 1984, S. 21; vgl. Loibl 2001, S. 18 f.). Bezogen auf das Unterrichtsvorhaben impliziert das genetische Lernen die Entwicklung und Konstruktion einer Spielidee aus seinem Ursprung heraus, genauer das Erfinden einer eigenen Spielidee. Das genetische Lernen folgt damit dem didaktischen Vorgehen, bei welchem ausgehend vom Phänomen zum Problem über die Problemreflexion zu Lösungen gegangen wird, um (spielend) zu üben. Es ist eine besondere Form des problemlösenden Lehrens und Lernens. Dabei findet ein stetiger Wechsel der Erprobung von Lösungsvorschlägen zu auftretenden Problemen statt. Zu Beginn des genetischen Lehrgangs soll ein beobachtbares Spielverhalten oder -problem das Interesse an der Spielverbesserung wecken, welches zum Problem der Lernenden wird. Gemeinsam sollen die Lernenden nach Lösungen suchen und durch ständiges Üben die Spielanforderung optimieren. Dabei unterstützt der Lehrende die Lernenden nach dem “sokratischen Prinzip” (vgl. Kolb 2011b, S. 70; Loibl 2001, S. 19 f.; Brülls 2002, S. 123 ff.).
Loibl (2001) gibt keine Vorgaben zur Reihenfolge, Gewichtung oder Art der Problembearbeitung, sondern beschreibt grundlegende und immer wieder auftretende Probleme als Ausgangspunkt für deren Reflexion und Lösung durch Regeln. Im Sinne des erziehenden Sportunterrichts besteht der Grundgedanke des genetischen Lehrens nicht darin, dass die Lernenden vorgefertigte Lösungen bzw. Produkte reproduzieren lernen, sondern stattdessen selbsttätig für sich nach Lösungen suchen, diese erproben und ggf. verwerfen oder weiterentwickeln (Loibl 2001, S. 20).
Nach Wagenschein (1991) gelten beim genetischen Lernen drei Prinzipien: das genetische (1), das sokratische (2) und das exemplarische (3) Grundprinzip. Die Schüler bekommen sowohl zu Beginn der Unterrichtsreihe als auch im Verlauf der Spielentwicklung keine vorgefertigten Techniken bzw. Spielformen mit dem Spielsportgerät Bassalo präsentiert. Sie wurden, wenn möglich, in jeder Unterrichtsphase selbsttätig und entwickelten eigenständig Lösungen für das sich darstellende Problem (2). Im Fall des beschriebenen Unterrichtsvorhabens bezieht sich diese auf die “Entwicklung eines eigenes Spiels mit einem neuen Sportgerät”.
Unterstützt wurden die Lernenden dabei durch die Lehrperson, die ihnen nach dem sokratischen Prinzip (2) indirekten Hilfen gab, sodass sie die Lösung selbst finden konnten. Diese Hilfe liegt im Unterrichtsvorhaben in Form der vorgegebenen Arbeitsmaterialien, einer Spielregen-Kartei und den angeleiteten Reflexionsphasen vor. Ergänzt werden diese durch die Beobachtungen kranker und/oder verletzter Schüler. Nach dem exemplarischen Prinzip gewinnen die Schüler durch das genetische-sokratische Vorgehen zentrale und grundlegende Erkenntnisse (3) (vgl. Kolb 2011b, S. 70; Loibl 2001, S. 19 ff.; Wagenstein 1991). Damit liegt dem beschriebenen Unterrichtsvorhaben der Merksatz des genetischen Lernens “vom neuen Sportspiel Bassalo (Phänomen) zum eigenen Spiel (Problem) über Problemreflexionen zu Spielveränderungen (Lösungen), um (spielend) zu üben” zugrunde (Kolb 2011b, S70).
Aus der Zielsetzung, dass Unterricht nicht mehr länger idealtypische Strukturen traditioneller Sportspiele vorgeben soll, ergab sich das methodische Vorgehen der Vermittlung der Sportart Bassalo. Nach dem Prinzip des genetischen Lernens erarbeiteten die Schüler in der gesamten Unterrichtsreihe den Umgang mit dem Sportspielgerät Bassalo und die daraus entwickelten Spielideen selbstständig. Nach Glorius und Leue (2010) übernehmen Sportspiele innerhalb der Spielerziehung mit dem Ziel des reflektierten Umgangs mit Regel- und Strukturmerkmalen auch eine methodische Funktion auf der Metaebene (Glorius und Leue 2010, S. 20-21). Aufgrund dessen wurden die Schüler nicht, wie in den didaktischen Überlegungen bereits angesprochen, mit idealtypischen Bassalo-Spielformen konfrontiert, die sie “nachspielen” sollten. Im Sinne des genetischen Lehrgang steht vielmehr der kreative Entwicklungsprozess eigener Spielideen und deren reflexive Erprobung und Weiterentwicklung im Vordergrund. “Auf diese Weise werden Einsichten über das Wesen und den Zusammenhang von Regeln erworben, durch die [Schüler] erkenn[en], welche Auswirkung sie auf die ursprüngliche Spielidee haben” (Digel 1977, S. 163).
Die ersten Bewegungsanforderungen des Sportspiels Bassalo erarbeiteten sich die Schüler in Einzel- und Partnerarbeit. In der ersten praktischen Erprobung des neuen Sportspielgeräts stand eine “großzügige Explorationsphase” im Vordergrund (vgl. Neumann 2010, S. 6). Erste Wurf- und Fangübungen, Tricks und Wurfkombinationen lernten und lehrten die Schüler in einem Expertensystem. Daran anschließend folgte in der zweiten Doppelstunde die Entwicklung eigener Bassalo-Spiele. In der vorangegangenen Unterrichtsreihe zum Sportspiel Basketball erprobten die S. Regelvariationen und reflektierten deren Auswirkung auf den Spielverlauf. Damit wurde die Grundlage für ein grundlegendes Regelverständnis zur Entwicklung eigener Bassalo-Spiele gelegt. Im Rahmen des 10er-Bassalo-Spiels wurden diese Kenntnisse vertieft und Regelkategorien erarbeitet. Damit ein Spiel funktioniert und Spaß macht, müssen viele Kriterien erfüllt sein (Achtergarde 2015, S. 492 ff.). Einige dieser “Kriterien für ein gelungenes Spiel” wurden mit den Schülern gemeinsam erarbeitet und auf einem Plakat schriftlich festgehalten. Auf dieser Grundlage erfolgte die Entwicklung der eigenen Bassalo-Spiele.
Um die Schüler im Bereich des Spieleerfindens zur Selbstständigkeit zu bringen, ist es nötig, dass sie Kriterien kennen, die ein gutes Spiel ausmachen. Nach Achtergarde (2015) ergeben sich dafür zwei Möglichkeiten, zum einen die “induktive” und zum anderen die “deduktive Methode”. Während bei der “induktiven Methode” unterschiedlichste Spielformen nach den Kriterien für ein gutes Spiel analysiert werden, stehen diese bei der “deduktiven Methode” am Anfang und werden mehr oder weniger “vorgegeben”. Anschließend erfinden die Schüler eigene Spiele und anhand dieser werden die Kriterien dann gemessen und diskutiert, welche besonders gut repräsentiert sind. Das beschriebene Unterrichtsvorhaben folgt der von Achtergarde empfohlenen “deduktiven Methode”. Die Schüler entwickelten auf der Grundlage der “Kriterien für ein gelungenes Spiel” eigene Spielformen in einem Expertensystem. In fünf Stammgruppen entwarfen sie mithilfe der Arbeitsmaterialien eigene Spielideen und hielten diese auf einem Spielbogen fest (siehe 9.2 Arbeitsmaterialien und exemplarisch 9.3 Arbeitsergebnisse). Die Regeln für ihr Spiel sollten die Schüler selbst entwickeln, denn erst “wenn sie das Regelwerk für eine Sportart von Grund auf selbst erfinden, wird ihnen [bewusst], warum Regeln nötig sind und bekommen eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, klare und eindeutige Regeln zu entwickeln” (ebd., S. 496).
In den folgenden Doppelstunden drei, vier und fünf erfolgte die Erprobung, Analyse und Reflexion der Bassalo-Spiele. Hierfür kamen jeweils zwei Schüler aus jeder Stammgruppe in einer Expertengruppe zusammen. Die Experten stellten die entwickelten Bassalo-Spiele vor und fungierten als “Spielleiter”. Die praktische Umsetzung der Bassalo-Spiele erfolgte mit einem stetigen Wechsel von praktischen Spiel- und theoretischen Reflexionsphasen. Die Reflexion der praktischen Spielerfahrungen wurde durch die Analysebögen der jeweils zwei Expertengruppen unterstützt (Achtergarde 2015, S. 68-70). Die aufgezeigten Spielprobleme wurden thematisiert und das Spiel anhand der “Kriterien für ein gelungenes Spiel” reflektiert, Regeländerungen vorgenommen und das Spiel erneut gespielt. Kranke oder verletzte Schüler wurden durch einen Beobachtungsbogen in die Spielbeobachtung einbezogen und füllten gemeinsam mit ihrer Stamm- bzw. Expertengruppe den Analysebogen aus (exemplarisch siehe 9.3 Arbeitsergebnisse). In der Abschlussreflexion fungieren sie als Beobachtungsexperten. Mithilfe der Analysebögen sowie der angefertigten Gesprächsnotizen veränderten die Schüler in den Stammgruppen ihre Bassalo-Spielideen bzw. entwickelten diese weiter. Dafür notierten sie Veränderungen und Weiterentwicklungen auf den entsprechenden Arbeitsblättern (exemplarisch siehe 9.3 Arbeitsergebnisse). im zweiten Teil der sechsten und teilweise der letzten Doppelstunde wurden alle Bassalo-Siele auf zwei Spielfeldern in Turnierform gespielt und schlussendlich deren Spielfähigkeit überprüft. Die Frage, ob die Spiele auf Dauer spannend genug sind oder ob nicht die traditionellen Spiele gerade deshalb so viel Tradition haben, weil ihre Regeln langfristiges Interesse erzeugen, ist im Moment der Spielregelkunde, wie sie im beschriebenen Unterrichtsvorhaben stattgefunden hat, zweitrangig. Erfahren kann man das nur, wenn “neue” Spiele erfunden, erprobt, verändert oder umgestaltet hat (Diegel 1977, S. 165).
Im Folgenden wird zunächst ein tabellarischer Überblick über den Aufbau und Verlauf der Unterrichtsreihe gegeben. Darin werden die inhaltlichen Schwerpunkte der jeweiligen Doppelstunden stichwortartig dargestellt. Im Anschluss wird der Ablauf der zweiten Doppelstunde exemplarisch abgebildet.
Tabellarische Übersicht über die Unterrichtsreihe: “Catch it – if you can”! – Übers Werfen und Fangen zur eigenen Spielidee mit dem Spielsportgerät Bassalo.
Tabelle 1: Übersicht über den Verlauf der vorgestellten Unterrichtsreihe.
Im Folgenden wird die zweite Doppelstunde, “Planung und Entwicklung eigener Spiele mit dem Spielsportgerät Bassalo unter Berücksichtigung gemeinsam erarbeiteter Kriterien”, der Unterrichtsreihe genauer beschrieben. Wie der Titel der Doppelstunde zeigt, lag der Fokus dieser Unterrichtseinheit auf der Planung und Entwicklung der eigenen Spielideen mit dem Sportspielgerät Bassalo.
Zu Beginn der beschriebenen Unterrichtseinheit wärmten sich die Schüler mit dem Bassalo-Cup in Partnerarbeit allgemein auf. Dazu gehört die Wiederholung der Wurf- und Fangtechniken über zunächst kürzere, dann längere Distanzen für allgemeine körperliche Erwärmung und Aktivierung. In der beschriebenen Unterrichtsreihe etablierte ich das feste Ritual eines “fließenden Unterrichtsbeginn”. Schüler, die schneller umgezogen waren, hatten dann die Möglichkeit, mit der allgemeinen Erwärmung bzw. der Verbesserung ihrer Fertigkeiten im Umgang mit dem Bassalo-Cup zu beginnen.
Nach dieser allgemeinen Erwärmungsphase wurde im Sitzkreis das Vorgehen für die Unterrichtsstunde besprochen. Um die Schüler im Spielentwicklungsprozess zu unterstützen und ihnen eine erste Vorstellung von Regelstrukturen, deren Veränderung und Variation, zu geben, wurde auf zwei Feldern das Aufwärmspiel “10er-Bassalo” gespielt. Ausgehend von der grundlegenden Spielidee, sich den Bassalo-Ball innerhalb der eigenen Mannschaft 10x hin und her zu passen, wurden keine weiteren Spielregeln festgelegt. Das Spiel lieferte, wie erhofft, viele fragwürdige Spielsituationen. Über sich abwechselnde Spiel- und Reflexionsphasen entwickelten die Schüler Regelstrukturen, die ein funktionierendes “10er-Bassalo” zur Folge hatte. In der abschließenden kognitiven Arbeitsphase fassten die Schüler Ausprägungen der Spielregeln im “10er-Bassalo” in den Regelkategorien Handlungs-, Personal-, Inventar- und Raumregeln zusammen (vgl. Breuer 2016, S. 5; Digel 1982, S. 320 f.). Darüber hinaus sammelten sie im Rahmen einer kurzen Think-Pair-Share-Phase die bereits erwähnten “Kriterien für ein gelungenes Spiel”. Die Regelkategorien sowie die “Kriterien für ein gelungenes Spiel” wurden auf zwei Plakaten visualisiert und bildeten die Grundlage für die eigene Spielentwicklung.
Daran anschließend stellt sich die Frage der Weiterarbeit. Von den Schülern wurde das “Spielen weiterer Spielformen” mit dem Bassalo, das “Verändern bekannter Bassalo-Spielformen” oder das “Entwickeln eines Bassalo-Spiels” benannt. Letzteres sollte im Verlauf der nächsten Doppelstunden schwerpunktmäßig umgesetzt werden. Die Schüler wurden daraufhin mit der Aufgabenstellung konfrontiert, ihnen die Arbeitsmaterialien und die Spielregel-Kartei als Hilfestellung für den Entwicklungsprozess vorgestellt. Nach einem kurzen Gruppenfindungsprozess verteilten sich die einzelnen Gruppen in der Halle und starteten in die erste Erarbeitungsphase der Spielentwicklung. Die Gruppen arbeiteten auffallend unterschiedlich. Einige Schüler erprobten ihre Spielideen unmittelbar praktisch, andere diskutierten Vor- und Nachteile, wieder andere sammelten verschiedene Vorstellungen und Ideen. Es wurden Materialien aus dem Geräteraum geholt, Ideen praktisch umgesetzt, verändert, verworfen und Materialien wieder weggeräumt. Von außen betrachtet zeichnete sich diese Phase durch ein hohes Maß an Exploration aus. Beratungsgespräche folgten und eine erste Spielidee wurde auf dem Spielbogen notiert. Der Prozess des Entwickelns von Spielen ist in hohem Maße an Kommunikation gebunden. Er beruht auf der Aushandlung von unterschiedlichen Ideen und Vorstellungen und deren anschließenden Erprobung.
Dieser Aushandlungsprozess ist oft nicht ganz konfliktfrei, denn Konflikte sind “Spielen und Sport im Innersten zu eignen” (Breuer 2016, S. 7). Die Lernenden waren im beschriebenen Unterrichtsvorhaben jedoch in der Lage weitgehend autonom zu arbeiten. Meine Rolle als Lehrkraft beschränkte sich in dieser Phase auf eine beratende und begleitende Funktion. Wäre dies nicht der Fall gewesen oder wäre der Entwicklungsprozess ins Stocken geraten, hätte ich den Rahmen der Aufgabe, ein eigenen Spiel zu entwickeln, durch vorgegebene Regel- oder Spielvariationen (z.B. ein Ziel-/Rückschlag-/Endzonenspiel zu entwickeln) verringert und damit die Aufgabenstellung weniger offen gestaltet und konkretisiert (vgl. Breuer 2016, S. 5). Diese Vorgaben waren jedoch nicht notwendig, da die Arbeitsprozesse der Kleingruppen im Allgemeinen gut verliefen.
In der ersten Erarbeitungsphase zeigte sich, dass die Gruppen “Tramassalo” (später “Brett-Bassalo”) und “Futtalo” Bassalo-Spiele entwickelten, deren Ziel es war, wie bei einem Zielspiel, den Bassalo-Ball in ein Ziel zu befördern. Während die Gruppe “Tramassalo” auf lediglich ein Ziel, das Trampolin, spielen wollte, installierte die Gruppe “Futtalo” zwei kleine Kästen als Ziele. Sie kombinierten darüber hinaus ihr Zielspiel mit einer Zone, die vor dem Kasten nicht betreten werden durfte. Auffallend war, dass beide Gruppen sich mit ihrer ersten Spielidee “zufriedengaben” und die restliche Zeit der ersten Erarbeitungsphase darauf verwendeten, ihr Spiel zu spielen. In einem Einzelgespräch mit den Gruppen wurde deutlich, dass sie das Regelwerk für ihr Spiel noch nicht umfassend ausgearbeitet hatten. Mit einem Verweis dies nachzuholen, gingen beide Gruppen in eine theoretische Arbeitsphase zurück. Darin wurde deutlich, dass die Regelkategorien “Raum” und “Personal” noch nicht ausreichend durchdacht wurden. So war in beiden Gruppen in der anfänglichen Spielversion Spielfeld-Aus nicht klar definiert.
Die Gruppe “Capture the Bassalo” arbeitet über die gesamte Erarbeitungszeit konzentriert, aber in keiner Phase praktisch. Sie entwickelten ein komplexes Zonen- bzw. Strategiespiel und arbeiteten ein umfangreiches Regelwerk aus. Eine kurze Rücksprache mit der Gruppe zeigte, dass sie keine weitere Unterstützung im Spielentwicklungsprozess benötigten. Die Gruppe “Bassalo-Square” hatte teilweise Anlaufschwierigkeiten. Zunächst war die Gruppe ideenlos und mit der Offenheit der Aufgabenstellung überfordert. Hier zeigte sich die von Breuer genannte “Gefahr der Überforderung” beim der Entwicklung eines gänzlich neuen Spiels. Um Regelstrukturen und deren Auswirkungen auf das Spiel für die eigene Spielidee bewusst einzusetzen bedarf es eigener Spielerfahrung. Die Schüler dieser Gruppe schienen, im Vergleich zu ihren Mitschülern, damit bisher deutlich weniger Erfahrung gesammelt zu haben. Um die Gruppe in ihrer ersten “Überforderung” nicht zu stark zu lenken, erinnerte ich sie zunächst an die Spielregelkartei (siehe 9.2 Arbeitsmaterialien). Diese erwies sich im Rahmen der Spielentwicklung häufig als funktional und gab den Gruppen entsprechende Anregungen, ohne konkrete Vorgaben oder vorgefertigte Lösungen aufzuerlegen. Sie zeigte den Schülern im Hinblick auf die Regelkategorien verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, wodurch der kreative Entwicklungsprozess aktiviert und/oder intensiviert wurde.
Die Gruppe “Bassalo-Square” kämpfte nach der anfänglichen Ideenlosigkeit mit zahlreichen, teilweise sehr unterschiedlichen Ideen. Ob das Spiel auf ein oder zwei Ziele, über ein Netz, einen Kasten, mit oder ohne Hindernissen, auf einem oder zwei Spielfeldern, gegen die Wand oder mit einem Ziel am Boden gespielt werden soll, sind nur einige Fragen, die sich im Rahmen dieser Arbeitsphase innerhalb der Gruppe stellten. Sie konnten sich nicht auf einheitliches Material einigen und kombinierten ohne zielführenden gemeinsamen Konsens viele komplexe Spielregeln miteinander. Im Sinne des nach Wagenschein (1991) postulierten sokratischen Grundprinzips, unterstützte ich die Lerngruppe in dieser Arbeitsphase, indem wir ihre Ideen im Blick auf räumliche, materielle sowie organisatorische Bedingungen überprüften. Damit reduzierten sich ihre Ideen auf zwei Spielformen. Zunächst einigten sie sich auf eine Spielidee und behielten die zweite als Variationsmöglichkeit innerhalb der Zusatzaufgabe im Kopf. Die Gruppe “Ringalo” entwickelte ein Spiel, dessen Spielidee sich, ähnlich beim “Quiddith-Spiel des Harry Potter Romans, darum drehte, für einen Punktgewinn den Bassalo-Ball durch Reifen zu werfen. Der Gruppe fiel es jedoch schwer ihre Idee, Reifen als Ziele zu nutzen, umzusetzen. Ich unterstützte sie bei diesem organisatorischen Problem, indem wir gemeinsam überlegten, wie drei Hula-Hoop-Reifen in der Hallenmitte befestigt werden könnten.
Nach der ersten offenen Erarbeitungsphase folgte eine kurze Reflexionsphase. In dieser Phase hatten die Gruppen die Möglichkeit, ihre Spielideen vorzustellen und Fragen im Hinblick auf die Entwicklung des Regelwerks zu stellen. Die Gruppen “Ringalo” und “Bassalo-Square” nutzten die Möglichkeit und die Lerngruppe gab ihnen wertvolle Tipps für die Weiterarbeit. Mit erneutem Verweis auf die Plakate “Kriterien für ein gelungenes Spiel” und die “Spielkategorien” gingen die Schüler in eine zweite Erarbeitungsphase, die im Zeichen der Ausformulierung/Überarbeitung der Regelstrukturen im Hinblick auf die “Kriterien für ein gelungenes Spiel” stand. Da die Gruppen “Tramassalo” und “Futtalo” ihre Spielidee bereits in der ersten Erarbeitungsphase “überarbeitet” hatten, bestand für diese Gruppen der Arbeitsauftrag in der gegenseitigen praktischen Erprobung ihrer Spielideen mit dem Ziel Variationsmöglichkeiten herauszuspielen. Im Spiel “Tramassalo” wurde den Gruppen schnell deutlich, dass das Spielfeld auf ein Trampolin mit mehr als sechs Spielern zu klein ist. Sie überarbeiteten daraufhin gemeinsam mit der Gruppe “Futtalo” ihr Spiel. Die Basketball-Bretter stellten dann die Zielbereiche dar und es wurde auf zwei Ziele gespielt, wodurch das Spiel dynamischer und bewegungsintensiver wurde und abschließend in “Brett-Bassalo” umbenannt wurde. Ein abschließendes Reflexionsgespräch über die entsprechenden Arbeitsfortschritte, Probleme und Fragen beendete diese Unterrichtseinheit. Alle Gruppen erreichten das Ziel eine grundlegende Spielidee mit dem Sportspielgerät Bassalo zu entwickeln. Jede Gruppe hatte es geschafft, grundlegende Regelstrukturen festzulegen. Die Schüler lobten die Offenheit der Aufgabenstellung. Einige Gruppen merkten jedoch an, dass sie es als besondere Herausforderung empfanden, ein funktionierendes Regelwerk für ihr Spiel zu entwickeln und nicht sicher seien, ob ihnen dies gelungen ist. Nach der Spielentwicklungsphase nannten die Schüler die praktische Erprobung der entwickelten Bassalo-Spiele als nächsten Arbeitsschritt, den es in den darauffolgenden Doppelstunden umzusetzen galt.
Die durchgeführte Unterrichtsreihe wird in diesem Kapitel rückblickend evaluiert. Grundlage der Evaluation sind zum einen die Arbeitsergebnisse der Schüler, die entwickelten Bassalo-Spiele, die auf den Spielbögen notiert wurden, die Analysebögen sowie die Notizen zu den Veränderungen der ursprünglichen Spielidee. Zum anderen bilden die Ergebnisse der Zielscheiben sowie die Selbsteinschätzungen der angebahnten Kompetenzentwicklung die Basis der nachfolgenden Erläuterungen (siehe 9. Anhang). Ebenso finden die Ergebnisse der Reflexionsphasen, die Beobachtungen und schriftlichen Ergebnisse kranker oder verletzter Schüler sowie meine eigenen Beobachtungen und Schlussfolgerungen Berücksichtigung.
Allgemein ist festzuhalten, dass das Unterrichtsvorhaben, mit Ausnahme einiger kleinerer Veränderungen, wie geplant durchgeführt werden konnte. Alle Gruppen haben weitgehend selbstständig eigene Bassalo-Spielideen entworfen, diese gemeinsam mit ihren Mitschülern erprobt, reflektiert, verändert und zu einem funktionierenden Spiel weiterentwickelt. Nicht aktiv teilnehmende Schüler wurden mithilfe von gezielten Beobachtungsaufträgen in das jeweilige Unterrichtsgeschehen integriert. Bei der Erprobung der Spiele stellte sich heraus, dass einige Schüler mit dem von mir erstellten Analysebogen nicht zufriedenstellend arbeiteten. Sie “hakten” die einzelnen Kriterien lediglich ab und verwendeten zu wenig Zeit für eine detaillierte und reflektierte Rückmeldung. Die Schüler merkten dazu an, dass der Aufbau des Analysebogens sehr geschlossen sei und sie in Bezug auf die “Kriterien für ein gelungenes Spiel” tendenziell freier würden antworten wollen. Gemeinsam erarbeiteten wir einen zweiten Analysebogen (siehe 9.3 Arbeitsergebnisse, S. 41). In der Erprobung der letzten beiden Bassalo-Spiele (“Bassalo-Square” und “Ringalo”) wurde dieser eingesetzt. In der Qualität der Reflexionsphasen zeigte sich, dass die Schüler mit diesem auch besser arbeiten konnten.
Im Hinblick auf die Präsentationen bzw. mündlichen Spielerklärungen der Spielexperten besteht rückblickend auf die Unterrichtsreihe der größte (Weiter-)Entwicklungsbedarf. Die Spielerklärungen dauerten lange, waren unstrukturiert, ungenau und produzierten so zahlreiche Rückfragen. Die ersten Spielphasen im Anschluss zeigten und bestätigten, dass einige Schüler über die Spielerklärung noch keine Vorstellung des Spielschemas entwickelt hatten. Dies machte die Erprobung teilweise mühsam. Es wäre ratsam gewesen, mit den Schülern im Vorfeld die von Achtergarte (2015) genannten “wichtigen Punkte bei einer Spielerklärung” (siehe 3.4 Entwicklung eigener Bassalo-Spiele) zu besprechen. Den Schülern würde dann eine Strukturierungshilfe bei der Spielerklärung vorliegen. Die Spielerklärungen könnten darüber hinaus auf ihre Verständlichkeit diskutiert werden und den vortragenden Schülern eine Rückmeldung über ihre methodische Kompetenz in diesem Bereich gegeben werden. Je komplexer ein Spiel ist, wie beispielsweise “Capture the Bassalo” es war, umso hilfreicher ist es gegebenenfalls die Spielideen auf einem Plakat oder einer Tafel zu verschriftlichen und zu skizzieren. Eine Alternative für die von mir entworfenen Spielbögen wäre der von Balz und Bindel (2010) entwickelte “Virtuelle Spiel-Computer”. Er könnte als virtuelle Stütze beim Einstieg in das Spieleerfinden eingesetzt werden (ebd., S. 44 f.).
Insgesamt eignet sich das beschriebene Unterrichtsvorhaben für leistungsheterogene und koeduktive (auch inklusive) Lerngruppen, da die basistechnischen Anforderungen beim Bassalo nicht so hoch sind, als dass nicht jeder Schüler nach kurzer Übungszeit individuelle Lernerfolge erzielen könnte. Eine Spielfähigkeit stellt sich nicht erst nach zweitaufwendiger Schulung der speziellen Spielfähigkeit ein. Bereits nach kurzer Übungszeit konnten alle Schüler individuelle Erfolgserlebnisse verzeichnen (vgl. 9.4. Evaluationsergebnisse der 1. Doppelstunde). Neue Sportarten und unbekannte Sportgeräte haben insgesamt den Vorteil, dass sie zum Aufbau von Ungleichheiten im Sport beitragen. Prinzipiell sind auch motorisch begabte Schüler den motorisch weniger begabten Schülern keinen Schritt voraus. Wird dann die Zielperspektive weniger an der Bewegungskompetenz als vielmehr an der Urteils- und Entscheidungskompetenz beim Spieleentwickeln festgesetzt, kann die Leistungsheterogenität insgesamt abgebaut werden (Glorius und Leue 2010, S. 12 ff.).
Die Schüler meldeten im Rahmen der Evaluation positiv zurück, dass sie beispielsweise “eine neue Sportart erlernt haben”, dass “es gut war, dass sie mal eine neue Sportart ausprobiert haben und es Spaß gemacht hat”, dass “sie nicht immer das gleiche im Sportunterricht gemacht haben”, dass “das Erfinden von Spielen mal was anderes war”, dass “sie selber das Spiel entdecken durften” und “alle die Sportart vorher nicht kannten”. Zu verbessern wäre aus Sicht er Schüler, dass “die Spiele (für mehr Bewegung innerhalb der Spiele) mit kleinen Teams gespielt werden sollten”, dass “die Spiele in kleineren Feldern besser und weniger kompliziert wären” und alternativ auch “Matten, Ringe etc. eingesetzt werden sollten”. Außerdem erwähnten sie die Schwierigkeiten beim Passen und nannten die “Vergrößerung der Becher” als Alternative für eine allgemeine Verbesserung des Spielkonzepts (siehe 9.5 Evaluationsergebnisse der 6. Doppelstunde).
Insgesamt entwickelte die Lerngruppe fünf verschiedene Bassalo-Spiele. Die Spiele “Brett-Bassalo”, “Futtalo” und “Bassalo-Square” haben eins gemeinsam, nämlich, dass der Ball für einen Punkterfolg in ein Ziel gebracht werden muss. Das Spiel “Ringalo” hatte in seiner ursprünglichen Form eine den Rückschlagspielen ähnliche Spielidee und “Capture the Bassalo” weist Charakteristika eines Strategie- und Zonenspiels auf, wie in Teilen auch Bassalo-Square”.
Die Gruppe “Tramassalo”, später “Brett-Bassalo”, entwickelte ein Spiel, welches sich der Spielidee des Brett-Balls bedient. Zunächst waren jedoch nicht die Basketball-Bretter das Ziel, sondern ein Trampolin, welches mit dem Ball aus 2 m Entfernung im weißen Mittelpunkt getroffen werden sollte. Dabei findet nach jedem Treffer ein Wechsel zwischen Offense und Defense statt. Nach der praktischen Erprobung zeigte sich, dass aufgrund des Wechsels zwischen Offensive und Defensive das Spiel wenig Spannung hatte und der Bewegungsanteil, aufgrund des kleinen Spielfeldes, gering war. Außerdem prallten die Bälle vom Trampolin nicht ausreichend zurück und die Ziele wurden von der Verteidigung “ummauert”. Die Kriterien Spannung/Spaß/Wettkampf, Bewegungsanteil und eindeutiges Regelwerk wurde durch einige Veränderung überarbeitet. Im Sinne eines klassischen Zielspiels entstand das Spiel “Brett-Bassalo”, welches sich dadurch auszeichnet, dass beide Mannschaften über das gesamte Spielfeld offensiv spielen. Als Ziele wurden beide Basketball-Bretter ausgeschrieben. Unterschiedliche Regelungen für einen Punktgewinn wurde als Variationsmöglichkeiten festgehalten.
“Futtalo” folgt der Spielidee eines Zielschussspiels mit Torraum, der beim Wurfversucht nicht betreten werden darf. Zwei Teams versuchen für einen Punkt den Ball in den gegnerischen Kasten (Ziel) zu spielen, der von einer Zone (6m) umgeben ist, die von keinem Spieler betreten werden darf. Die Erprobung des Spiels “Futtalo” zeigte, dass sich das Spiel durch ein klares Ziel auszeichnete und eine hohe Spielbeteiligung aller ermöglichte. Allerdings entwickelte die Gruppe sehr komplexe Handlungs- und Personalregeln. Dadurch kam es zu zahlreichen Spielunterbrechungen, die einen geringen Spielfluss zur Folge hatten und das Spiel insgesamt wenig spannend machten. In der Weiterentwicklung reduzierte die Gruppe die Handlungs- und Personalregeln, formulierte einfachere und klarere Regeln und entwickelte die Spielvariation mit mehreren Bällen als alternative Spielversion. Das Problem des Ballbesitzes nach einem Wurfversuch auf den Kasten wurde durch den Ballbesitzwechsel gelöst, alle Aus-Regeln wurden abgeschafft. Damit funktionierte das Spiel und es entstand ein intensives Zielspiel. Die Gruppen “Futtalo” und “Brett-Bassalo” haben ein Spiel nach dem Prinzip des “sportlichen Updates” entwickelt. Sie haben sich der Spielideen traditioneller Sportarten bedient und lediglich das neue Sportgerät und einige Regelveränderungen inszeniert.
Eine außergewöhnliche Spielidee verfolgte die Gruppe “Bassalo-Square”. Sie entwickelten ein dem “trendigen Sampling” entsprechendes Spiel, welches ein Ziel- mit einem Zonenspiel kombiniert. Innerhalb des Spielfeldes befinden sich Zonen, die nur von bestimmten Mannschaftsmitgliedern betreten werden dürfen. Die grundlegende Spielidee, den Ball in das gegnerische und an der Wand abgeklebte Viereck zu spielen, ist der klassischen Idee eines Zielspiels gemeinsam. Insgesamt funktionierte das Spiel gut, auch wenn die Schüler anfängliche Schwierigkeiten mit der jeweiligen Zoneneinteilung hatten. Das Spiel zeichnete sich von Anfang an durch ein klares, eindeutiges Regelwerk aus, beteiligte alle am Spiel, erzeugte Spannung und machte Spaß. Dennoch war die Bewegungsintensität durch die Einteilung der Zonen begrenzt. Um das Spiel laufintensiver und gleichzeitig anspruchsvoller zu gestalten, installierte die Gruppe nach der Erprobung ihres Spiels auf jeder Seite je zwei Ziele (“Squares”). Dadurch intensivierte sich das Spiel stark. Durch die zusätzliche Option mit mehreren Bällen zu spielen, entstand ein spannendes und vor allem schnelles Spiel.
Die Gruppe “Capture the Bassalo” entwickelte eine Kombination aus einem Zonen- und Strategiespiel, welches Verwandtschaft mit dem Geländespiel “Capture the Flag” aufweist. Damit entwickelte diese Gruppe ein Spiel, welches ebenfalls den Prinzipien des “trendigen Samplings” sowie der “medialen Adaption” folgt. Die grundlegende Spielidee dieses Spiels ist, den Ball für einen Punktgewinn in den eigenen, am Boden abgeklebten Feldern zu fangen. Verschiedene Felder bringen bei einem erfolgreichen “Catch” unterschiedlich viele Punkte. Das Spielfeld ist insgesamt durch zwei Spielhälften getrennt, die die Funktion haben, dass die Felder jeweils nur von der gegenüberliegenden Feldhälfte angespielt werden dürfen. Das Spiel ist in seinem Charakter relativ komplex, was maßgeblich damit zu tun hat, dass Spiele mit einer solchen Spielidee im Bereich der klassischen Sportspiele nicht so populär sind. Nach der Erprobung mussten hier, um das Spiel spielfähiger zu machen, einige Handlungs- und Personalregeln, wie beispielsweise die Bewegung mit dem Ball, das Betreten der Felder oder das Verhalten der Verteidiger klarer definiert werden.
Das Spiel “Ringalo” bediente sich der Spielidee des “Quidditch-Spiels” aus dem Harry Potter Roman und folgte damit dem Prinzip der “medialen Adaption”. Hierbei musste der Ball für einen Punkteerfolg durch einen Ring geworfen werden. Zwei in der Mitte der Halle aufgehängte Hula-Hoop-Reifen stellten zunächst die Mittellinie der beiden Mannschaften dar, die versuchten, sich auf der eigenen Seite den Ball dreimal zuzupassen, um anschließend durch den Ring auf die Seite des Gegners zu werfen. Das Spiel war in seiner Umsetzung einige Probleme auf und war für alle Beteiligten wenig bewegungsintensiv, zeigte wenig Spannung und frustrierte. Nach der Erprobung wurden die getrennten Spielfelder aufgelöst. Die Lerngruppe entwickelte “Ringalo” über die Idee des 10er-Bassalos mit einem abschließenden Wurf durch die Reifen weiter und installierte drei Spielbälle (exemplarische Spiel-, Analysebögen und “Überarbeitungen-Notizen” der entwickelten Bassalo-Spiele “Futtalo” und “Bassalo-Square” sind 9.3 Arbeitsergebnisse).
Insgesamt ist noch anzumerken, dass im Verlauf der Erprobung der Bassalo-Spielideen die Regel “den Ball mit der Hand werfen zu dürfen lediglich mit dem Bassalo-Cup fangen zu müssen”, eine deutlichere Vereinfachung darstellte. Daraus ergaben sich weniger Spielunterbrechungen und der Spielfuss erhöhte sich. Der Ballbesitz, nachdem der Ball den Boden berührte, wurde bei allen Spielen durchgängig mit der Regel “für Ballbesitz: Becher als erstes über den Ball stülpen” gelöst. Beide Regelungen etablierten sich, weil sie sich in einem der ersten Spielerprobungen als geeignet erwiesen hat.
Betrachtet man die angebahnte Kompetenzentwicklung, so ist festzuhalten, dass bei allen Schülern Lernprozesse zu beobachten waren. Inwieweit fachliche wie überfachliche Kompetenzen durch das vorgestellte Unterrichtsvorhaben erfolgreich gefördert wurden, wird nachfolgend differenziert betrachtet.
Die Abschlussevaluation am Ende der 6. Doppelstunde zeigte, dass die Mehrheit der Schüler die Aussage “In der Unterrichtsreihe habe ich meine individuelle Technik mit dem Sportspielgerät Bassalo verbessert”. Im Bereich “trifft voll zu” (22 von 24 Schülern) oder “trifft zu” (2 von 24 Schülern) bewerteten und kein Schüler die Aussage verneinte. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen der 1. Doppelstunde und wir auch durch die Notizen einer kranken Schülern bekräftigt. Nach einiger Übungszeit “klappt es mit der Distanz besser”, “viele schaffen es, die Bälle einzufangen” und “zeigen eine bessere Wurftechnik”. Insgesamt können von allen so “auch mehr Tricks ausprobiert” werden (siehe 9.3. Arbeitsergebnisse). Im Reflexionsgespräch merkten die Schüler an, dass ihnen, wie bereits thematisiert, das Fangen leichter gefallen ist als das Werfen. Aus diesem Grund wurde die Regel “mit der Hand werfen und mit dem Bassalo-Cup fangen” installiert. Über die Reduktion der Spielunterbrechungen wurden darüber insgesamt der Spielfluss und die Spielfähigkeit verbessert. Auffallend war, dass die Schüler im Spiel deutlich weniger Tricks mit dem Bassalo-Cup anwendeten als in der Explorationsphase.
In Bezug auf andere Sportspiele sehe ich den Einsatz trickreicher Wurf-/Fangvariationen jedoch nicht als notwendige Voraussetzung für die Förderung der allgemeinen Spielfähigkeit. Eine Weiterentwicklung der speziellen Spielfähigkeit mit dem Bassalo-Cup stellt aus meiner Sicht vielmehr ein alternatives, weiterführendes Unterrichtsvorhaben dar. Hierin kann längerfristig vor allem für motorisch begabte Schüler eine Herausforderung liegen. In Bezug auf die Partnerarbeit bewertete die Mehrheit der Schüler die Aussage “Ich habe mich durch die Zusammenarbeit mit meinem Partner verbessert”. mit “trifft zu”. Acht Schüler bewerteten diese Aussage mit “trifft voll zu”, elf mit “trifft zu” und fünft der Schüler mit “neutral”. Im Gespräch konkretisierten die Schüler diesen Punkt darin, dass sie sich eigenseitig beobachteten “wie der andere das macht” oder “sich bei anderen die Wurf- und Fangtricks abgeschaut haben”. Ein Schüler meldete zurück, dass ihm das Spiel alleine gegen die Wand mehr Spaß bereitet hat als das Zusammenspiel mit dem Partner, weshalb er dieser Aussage weniger zustimmt. Die Schüler lobten darüber hinaus, dass sie in der ersten Doppelstunde ausreichend Zeit hatten, sich mit dem neuen Sportgerät auseinanderzusetzen und dieses auszuprobieren. Diese Phase war von mir ursprünglich nicht so, sondern deutlich geschlossener geplant. Die Schüler agierten jedoch selbstorganisiert explorativ, sodass ich in diese Phase sehr offen ließ und den Schülern lediglich beratend zur Seite stand. In Bezug auf ihre Kompetenzentwicklung im Bereich der Spielerziehung bewerteten die Schüler die Aussage “ich weiß, welche Kriterien ein gutes/gelungenes Spiel ausmachen.” mehrheitlich im Bereich “trifft voll zu” (14 von 24 Schülern) bis “neutral” (10 von 24 Schülern). Kein Schüler verneinte diese Aussage. Die Schüler nannten die Kriterien Spaß, Spannung und Wettkampf nahezu ausnahmslos als die wichtigsten Komponenten eines funktionierenden Spiels. Damit bekräftigt das kursinterne Stimmungsbild über die Bedeutung der einzelnen Kriterien die Aussage von Breuer (2016), “dass ein Spiel, welches an Spannung verliert, in der Regel endet” (Breuer 2016, S. 2). Die Schüler stimmten in der Aussage, “Ich kenne verschiedene Kategorien von Spielregeln.” mehrheitlich (23 von 24 Schülern) mit “trifft voll zu” überein.
Im Rahmen der Abschlussreflexion nannten die Schüler exemplarisch zahlreiche Auswirkungen, die Spielregeln auf die Spielidee und damit auf den Verlauf eines Spiels haben können. Sie merkten darüber hinaus an, dass ihnen einzelne Spielregeln aus ihren Erfahrungen mit Sportspielen bekannt waren, sie diese weder in Kategorien eingeordnet haben, noch die Bewusstheit dafür hatten, welche Bedeutung sie für den Verlauf eines Spiels haben können. Sie meldeten außerdem zurück, dass die Rückmeldungen von den jeweiligen Bassalo-Spielen sehr hilfreich waren, was aus der mehrheitlich mit “trifft zu” (12 von 24 Schüler) bewerteten Aussage “Die Rückmeldungen zu unserem Bassalo-Spiel waren sehr hilfreich.” ersichtlich wird. Insgesamt bewerteten die Schüler die Aussage “Mit unserem entwickelten Bassalo-Spiel bin ich zu zufrieden” durchmischt. Dreizehn Schüler bewerteten die Aussage mit “neutral“, fünf mit “trifft zu”, vier mit “trifft nicht zu” und drei Schüler mit “trifft voll zu”.
Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Schüler die Zeit für die Entwicklung ihrer Spiele als “zu kurz” empfanden und gerne mehr Zeit darauf verwendet hätten, die entwickelten Spiele erneut zu spielen. Die Spiel-/Weiterentwicklungsphase sollte aus diesem Grund in einer nächsten Unterrichtsreihe verlängert werden. Die Aussage “Ich kann (jetzt) ein eigenes Spiel entwickeln.” wurde von den Schülern mit “trifft voll zu” (20 von 24 Schüler) bis “neutral” (4 von 24 Schüler) bewertet.
Kein Schüler bewertete diese Aussage im negativen Bereich. Das übergreifende Ziel der beschriebenen Unterrichtsreihe war, den Schüler über eine neue Sportart Kenntnisse aus dem Bereich der Sportkonsum- und Spielerziehung mitzugeben. Die Evaluationsergebnisse der angebahnten Kompetenzentwicklung zeigen, dass dies aus Schülersicht weitgehend gelungen ist. Die Auswertung der Evaluation der Kompetenzentwicklung ist im Anhang unter 9.5 Evaluationsergebnisse der 6. Doppelstunde zu finden.
Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich auf die Evaluationsergebnisse der ersten und letzten Doppelstunde. Sowohl meine als auch die Beobachtungen einer Schülerin fließen auch hier in die Bewertung für den Einsatz des Sportspiels Bassalo im Sportunterricht mit ein. Der Mehrheit hat das Unterrichtsvorhaben mit dem Sportspiel Bassalo Spaß gemacht, das meldeten sie sowohl nach der ersten Unterrichtsstunde als auch zum Abschluss der Unterrichtseinheit zurück. Eine kranke Schülerin beobachtete, dass ihre Mitschüler “viel lachen” und immer “schwierigere Sachen/Tricks versuchen zu machen”. Zu Beginn “konnten einige die Bälle nicht fangen”, aber mit etwas Übungszeit “verbesserte sich die Wurftechnik” bei allen. Auch aus der Sicht der Schüler hatten alle, nach einiger Übungszeit im Umgang mit dem Bassalo-Cup, individuelle Erfolgserlebnisse. Die Schüler bestätigten, dass sie ausreichend Zeit hatten, um das neue Sportgerät auszuprobieren. Die von Neumann (2010) geforderte “großzügige Explorationsphase” ermöglichte den Schülern das Ausprobieren und Kennenlernen des neuen Sportgeräts mit seinen Bewegungsanforderungen sichtlich (vgl. Neumann 2010, S. 6). Die Schüler sind mehrheitlich der Meinung, dass Bassalo in der Schule eingesetzt werden sollte (siehe Zielscheibe unter 9.6 Evaluation der 7. Doppelstunde). Sie sehen allerdings eine Schwierigkeit darin, dass Spielformen durch die mangelnde Fähigkeit den Ball aus dem Becher zu schleudern, scheitern. Ihrer Meinung nach birgt das eine “Gefahr der Frustration”. Aus diesem Grund sollte zu Anfang eine freie Explorationsphase installiert werden, die bestenfalls zu Beginn jeder Unterrichtseinheit wiederholt wird, damit die Schüler Sicherheit im Umgang mit dem Bassalo-Cup entwickeln. Einige Schüler wünschen sich, ihre Bassalo-Spiele auch in Zukunft im Sportunterricht zu spielen, andere lehnen das ab. Im Gespräch mit der Lerngruppe zeigte sich, dass vor allem diejenigen Schüler demgegenüber abgeneigt sind, die mit ihrer Spielidee nicht zufrieden sind und diese gerne nochmals überarbeiten würden. Erst durch die anderen Spiele, hätten sie eine Idee davon bekommen, was man alles spielen kann und “jetzt wären wir viel erfinderischer”, so die Schüler.
Auf die Frage “Bassalo: (K)ein Spiel für den Sportunterricht?” antworteten die Schüler mehrheitlich ja, weil “es Spaß macht”, “es etwas Neues und mal etwas Anderes ist”, “es doch leichter ist, als es aussieht”, “man es alleine, zu zweit oder in der Gruppe spielen kann” und “sie es alle nicht kannten” (siehe 9.6 Evaluationsergebnisse der 7. Doppelstunde). Lediglich zwei Schüler gaben an, Bassalo in der Zukunft nicht im Sportunterricht zu sehen, weil es gegenüber Fußball, Handball oder Basketball viel schwieriger sei, die Materialien angeschafft werden müssten und die niedrige Deckenhöhe hohe, weite Würfe verhindere. Dem stimme ich vor allem im letzten Punkt zu. Jedoch ergibt sich auch die Möglichkeit, Bassalo auf dem Sportplatz im Freien zu spielen. Dann sind den Würfen in Höhe und Weite keine Grenzen mehr gesetzt und innerhalb der Spielformen nehmen darüber hinaus, bei kleineren Mannschaftsgrößen, Bewegungsanteil und – intensität zu.
Insgesamt kann das beschriebene Unterrichtsvorhaben mit dem Sportspiel Bassalo, genauer die Entwicklung eigener Spielideen mit einem neuen Sportspielgerät, als gelungen bewertet werden. Dem Wunsch der Schüler nach “News” im Sportunterricht wurde nachgegangen und die Lerngruppe, ihre Bedürfnisse und Vorerfahrungen in den Vordergrund gestellt. Dem Prinzip des genetischen Lernens entsprechend erarbeiteten die Schüler, ausgehen vom Phänomen des neuen Sportgeräts, über das Problem eines eigenen Spiels, weitgehend selbstständig eigene Lösungen in Form von Spielveränderungen und – weiterentwicklungen. Im Sinne des lebenslangen Sporttreibens wurde den Schülern mit dem “Newsport” Bassalo eine neue, innovative Sportart zugänglich gemacht, die sie für gesellschaftliche Entwicklungen im Bereich der Mode-, Fun- und Trendsportarten anschlussfähig macht. Das Sportspiel Bassalo leistet aufgrund seiner Vielfältigkeit dazu einen wesentlichen Beitrag und dessen Einsatz im Sportunterricht ist rückblickend positiv zu bewerten. Frei nach dem Motto “Just try it – and catch it, if you can” sollte Bassalo, und das nicht nur zur Abwechslung des sportunterrichtlichen Alltags, auch weiterhin im Sportunterricht eingesetzt werden.
Im Rahmen der beschriebenen Unterrichtsreihe wurden zahlreiche fachliche sowie überfachliche Kompetenzen gefördert, womit das Unterrichtsvorhaben der Vorgabe des hessischen Kerncurriculums nach Kompetenzorientierung nachgeht. Im Sinne der Sportspielerziehung haben die Schüler über die Entwicklung eigener Spielideen ihre Fähigkeiten im Bereich der allgemeinen Spielfähigkeit verbessert und weiterentwickelt. Sie haben Kriterien für ein gelungenes Spiel sowie verschiedene Regelkategorien kennengelernt und sind weitgehend in der Lage, diese in unterschiedlichsten Spielformen anzuwenden. Darüber hinaus sensibilisierte sie das Spielen der Spielideen für die Auswirkungen von Spielregeln auf das Spielgeschehen, stellte sie vor Probleme im Spielverlauf und förderte daduch ihr allgemeines Spiel- und Regelverständnis im Rahmen der Sportspielerziehung.
Mit den entwickelten Spielideen waren die meisten Schüler zufrieden, auch wenn einige Schüler ihre Spielideen weiter ausarbeiten wollten. Im Rahmen der Spielentwicklung galt es, die schwierige Balance zwischen der Eigendynamik der Spielideen und den internationalen Lernprozessen, genauer zwischen situativen Spielbedürfnissen und den pädagogischen Zielen, zu finden. Über den stetigen Wechsel zwischen Erprobungs- und Reflexionsphasen wurde diese Balance gefunden und vielversprechende Bassalo-Spiele entstanden. Das neue Sportgerät motivierte die Schüler und brachte den kreativ gestalterischen Spielentwicklungsprozess in Gang. Im Sinne der Sportkonsumentenerziehung haben die Schüler dadurch nicht nur ein neues Sportspiel kennengelernt, sondern dessen Einsatz in der Schule eigenstündig erprobt und reflektiert.
Der Einsatz von Bassalo in der Schule wurde von den meisten Schülern aufgrund des hohen Aufforderungscharakters “mal etwas Neues und Anderes zu machen, was keiner kennt” befürwortet. In der zukünftigen Unterrichtsplanung sollten jedoch die Schwierigkeiten des Passens und die damit verbundene potentielle Frustrationsgefahr beim Spielen durch die Installation vereinfachender Regelstrukturen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wäre es ratsam, bei den Bassalo-Teamspielen die Spielerzahl zu reduzieren und auf komplizierte Spielregeln zugunsten einer höheren Bewegungszeit und eines größeren Spielflusses zu verzichten. Darüber hinaus bewährte sich in der beschriebenen Unterrichtsreihe ein offener Analysebogen und es ist empfehlenswert, auch in der Sekundarstufe II den Schülern Hinweise und Hilfestellungen für eine gelungene Spielerklärung zu geben. Eine interessante Unterstützungsmöglichkeit im Prozess der Spielentwicklung für die Sekundarstufe I stellt der sogenannte “Virtuelle Spiel-Computer” dar, der die Schüler in ihrem Vorgehen strukturiert anleitet (vgl. Balz und Bindel 2010, S. 44). Für den zukünftigen Einsatz von Bassalo in der Schule ergibt sich neben dem beschriebenen Unterrichtsvorhaben im Bereich des Inhaltsfeldes “Spielen” die Möglichkeiten, den Spielentwicklungsprozess über die Elemente “Glück, Strategie und Geschicklichkeit zu inszenieren (vgl. Wiesche 2016, S. 25).
Das Sportspiel Bassalo könnte darüber hinaus zur allgemeinen Förderung der Ballfertigkeiten, koordinativen Fähigkeiten und der Hand-Auge-Koordination frühzeitig bereits in der Sekundarstufe I eingesetzt werden. Bassalo bietet darüber hinaus aus meiner Sicht die Möglichkeit in die Sportart Lacrosse einzuführen, da es über seine grundlegende Spielidee “einen Ball im Sportgerät/-Schläger zu fangen” der Sportart Lacrosse verwandt ist. eine alternative Unterrichtsreihe mit dem Sportspiel Bassalo wäre außerdem im Inhaltsfeld “Bewegung gymnastisch, rhythmisch und tänzerisch gestalten” möglich. Dabei könnten Wurf- und Fangkombinationen sowie vielfache Tricks mit dem Bassalo-Cup alleine, zu zweit oder in der Gruppe im Rahmen einer Choreografie, gegebenenfalls zur Musik, gestalterisch entwickelt werden.
Die “Entwicklung eigener Spielideen mit dem Sportspiel Bassalo” diente im beschriebenen Unterrichtsvorhaben als didaktisches Gestaltungsinstrument für die (Weiter-)Entwicklung der Kompetenzen im Bereich der allgemeinen Sportspiel- und Sportkonsumentenerziehung. Im Sinne des Doppelauftrags des Sportunterrichts leistet das beschriebene Unterrichtsvorhaben, in welchem “mal eine Sportart ausprobiert wurde, die man sonst nicht (so oft) in der Schule macht”, einen besonderen Beitrag zur Erziehung ZUM und DURCH Sport.
Das Literaturverzeichnis findest du im PDF in der Arbeit Facharbeit Bassalo
Nachfolgend werden die angebahnte Kompetenzentwicklung der Unterrichtsreihe sowie die Arbeitsmaterialien der Spielentwicklung und die daraus resultierenden Arbeitsergebnisse dargestellt. Die Evaluationsergebnisse der ersten, der sechsten und der letzten Doppelstunde werden exemplarisch dargelegt.
Die Schüler erweitern ihre Urteils- und Entscheidungskompetenz, in dem sie …
– Bewegungsräume nutzen, Sportaktivitäten planen, durchführen und reflektieren (U5).
Die Schüler erweitern ihre Bewegungskompetenz, in dem sie …
– ihr Bewegungshandeln gezielt beobachten, in angemessener Fachsprache beschreiben und die Ergebnisse für die Bewegungsausführung nutzen (B4).
– in Sportspielen taktisch angemessen agieren und dabei Regeln einhalten und gestalten (B6).
Die S. erweitern ihre Teamkompetenz, indem sie …
– Unter Verwendung entsprechender Fachbegriffe über Bewegungen sprechen und anderen konstruktiv Rückmeldung geben (T5).
– Konflikte austragen, tragfähige Lösungen finden und sich kritisch mit dem Fair-Play Gedanken auseinandersetzen (T4).
Die S. erweitern ihre Sozialkompetenz, indem sie …
– sich untereinander verständigen und kooperieren.
– Verantwortung übernehmen und im Team agieren.
– Konflikte lösen, andere Perspektiven einnehmen und in zentralen Fragen des Miteinander betreffend Stellung beziehen.
Entwickeln Sie in Ihrer Gruppe Ihr eigenes Bassalo-Spiel. Überlegen Sie gemeinsam welche Spielidee Ihr Spiel verfolgt und welche Personalregel(n), Handlungsregel(n), Inventarregel(n) und Raumregel(n) für Ihr Spiel notwendig sind.
Folgende organisatorische Voraussetzungen muss Ihr Spiel erfüllen:
Ihr Bassalo-Spiel ist nur dann erfolgreich, wenn es unseren Kriterien für ein gelungenes Spiel erfüllt
Bogen 1/2:
Bogen 2/2: